Aufruf CSD Erfurt 2009

Forderungen zum diesjährigen CSD

Wir Bleiben Alle!

Auch zum CSD Erfurt 2009

Der historische Anlass des Christopher Street Day (CSD) jährt sich in diesem Jahr zum 40. Mal. Dieser erinnert an den Beginn der homosexuellen Emanzipationsbewegung im Juni 1969, als es in New York fünf Tage lang zu Aufständen gegen staatliche Repression kam und Menschen, die bis dahin verschiedene Arten von Diskriminierungen erfahren mussten, sich erfolgreich gegen eine legitimierte Kriminalisierung wehrten. Da sich seither die Zustände bei genauer Betrachtung nur wenig verbessert haben, bleiben die Forderungen seitens der sich als alternativ handelnd verstehenden Teile dieser Bewegung bestehen. Jener Menschen, die sich nicht entmündigen ließen durch das prekäre System von Lohnarbeit, der täglichen Erfahrung von Austauschbarkeit, der Demütigung und Zermürbung innerhalb politischer Strukturen und der Einschränkung der Freiheit durch fortschreitende staatliche Überwachung und Aushöhlung rechtstaatlicher Prinzipien. Jener Menschen, die fordern:

Die Aufhebung von Verfolgung, Stigmatisierung und Benachteiligung von Menschen, die sich Strukturen schaffen, die nicht dem heteronormativen Bild entsprechen.

Wie schon in den vergangenen beiden Jahren solidarisieren wir uns mit den sozialpolitischen Bewegungen innerhalb des Bündnisses zum „Tag der Einheit der Menschen“. Und all jenen Projekten und Menschen, denen nicht zugehört wird und deren Interessen nicht durch parlamentarische Strukturen durchgesetzt werden. Dies ist angesichts der akuten Bedrohung und fortwährenden Zerstörung soziokultureller Räume und Projekte nötiger denn je!

Jüngstes Beispiel ist die gewaltsame Räumung des Besetzten Hauses in Erfurt im April diesen Jahres. Ein Projekt, dass es eben auch Nicht-Heterosexuellen ermöglichte, sich in einem geschützten Raum zu bewegen. In dem es möglich war, angstfrei mit sexistischen Diskriminierungs- und Anmachversuchen umzugehen und auf homophoben und machistischen Dumpfsinn zu reagieren und sich abseits des heterosexistischen Mainstream auszuprobieren. Im Gegensatz zu den sonst vorhanden Nischen für sexuelle Minderheiten wurden dieses und andere damit zusammenhängende Projekte frei von Reduzierungen auf sexuelle Präferenzen gestaltet. Die Räumung des Besetzten Hauses war ein Ereignis, das sich einreiht in die lange Tradition deutschen Spießbürgertums, Ansätze alternativer Lebenskonzepte jenseits kapitalistischer Verwertungslogik anzugreifen.

Doch wir bleiben Alle!

Daran wird auch der Erfurter Oberbürgermeister nichts ändern können, der sich während seines opportunistischen Wahlkampfes (Klare Verhältnisse!) auf die Aussage zurückzog, alles für das Projekt Besetztes Haus getan zu haben. Wie Hohn klingt diese Äußerung vor dem Hintergrund, dass gerade mal ein (!) Ersatzobjekt angeboten wurde, dass aber für die Projekte des Hauses ungeeignet war. Daraufhin brach er die Verhandlungen ab und warf den BesetzerInnen Sturheit vor.

Hat OB Bausewein so schnell vergessen, dass er sich noch im letzten Jahr für die Demo und die Veranstaltungen im Rahmen des CSD bedankte, ausdrücklich auch bei den VeranstalterInnen des Besetzten Hauses?!? Dass er bereits zum vierten Mal Schirmherr des CSD ist, vielleicht weil es sich weltoffen und tolerant anhört, er selbst aber noch auf keiner CSD-Veranstaltung gesichtet wurde?

Nach der Räumung…

Wir wollen diese Erfahrung staatlicher Repression und politisch gewollten Verdrängens nicht tatenlos hinnehmen.

Auch werden wir uns nicht länger instrumentalisieren lassen, dieser Stadt einen Farbtupfer dadurch zu verleihen, dass wir demonstrieren dürfen. Wir stehen nicht für eine nach außen propagierte Vielfalt, während nach innen die Strukturen kommerzialisiert und Menschen zielgerichtet vertrieben werden.

…ist vor der Räumung?

Wir brauchen Räume, in denen wir uns autonom bewegen können. Nicht nur städtisch geförderte Jugendclubs, kommerzielle Diskos oder Orte sogenannter Hochkultur.

Wir brauchen Räume, in dem Kritik an gesellschaftlichen Zuständen möglich ist, und zwar so, wie wir sie formulieren wollen.

Wir brauchen Räume, in denen eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen stattfindet und gemeinsam Kompromisse erarbeitet werden können.

Wir brauchen Räume, in denen wir uns wohlfühlen können und nicht als verwertbare Objekte wahrgenommen werden, über die entschieden werden muss.

Wir brauchen Räume, in denen Menschen Alternativen ausprobieren und leben können, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität.

Dieser (Frei)Raum wird uns in Erfurt mehr und mehr genommen. Nicht nur durch die Räumung des Besetzten Hauses im April 2009. Auch durch eine Verschärfung der Stadtordnung im Juli 2008 mit dem Ziel, unliebsame Personen aus den Erfurter Innenstadtbereich zu verdrängen. Durchgesetzt mit Einsätzen der Polizei, die sich fast ausschließlich gegen Menschen richteten, die eben nicht ins biedere Stadtbild passen. So kam und kommt es des Öfteren zu Situationen, in denen Menschen festgehalten, ihre Ausweise kontrolliert, ihnen gegenüber Platzverweise ausgesprochen und „Ordnungswidrigkeiten“ festgestellt wurden und werden.

Obdachlose Menschen waren seit dem Inkrafttreten der „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im Mai 2003 schlichtweg verschwunden aus dem Bild der sauberen Erfurter Innenstadt.

Trotzdem: Wir Bleiben Alle!

Fazit?

In den vergangenen beiden Jahren haben wir zum CSD Forderungen aufgestellt, die sich an politische Strukturen von der Kommunal- bis hinauf zur Bundesebene richteten. Keine davon wurde bisher erfüllt oder auch nur ansatzweise für diskussionswürdig befunden.

Ein Beispiel für die Ignoranz staatlicher Repressionsorgane ist die bisher noch immer unbeantwortete Anfrage an die Thüringer Landesregierung, wie mit den virtuellen Rosa Listen verfahren wurde, nachdem 2005 deren Existenz bekannt wurde. Zur Erinnerung: Das interne elektronische Erfassungssystem der Landespolizei beinhaltete in lokalem Bezug auf TäterInnen, Opfer und ZeugInnen auch die Schlüsselnummern 901 für den „Aufenthalt von Homosexuellen“ sowie 902 für „Strichplatz“.

Ein weiteres Beispiel auf Bundesebene ist der Beschluss, dass eine Entschädigung der nach 1945 gemäß §175 StGB strafrechtlich verfolgten Homosexuellen nicht stattfinden wird. Begründet wurde diese Fehlentscheidung damit, dass der durch die Nazis nochmals verschärfte Straftatbestand geltendes Recht gewesen sei.

Ein anderes Beispiel ist die im letzten Jahr vollzogene Verschärfung des Nazi- Unzuchtsparagraphen §176 StGB, der wie der „allgemeine Jugendschutzparagraph“ §182 als Ersatz für den 1994 lediglich pro forma abgeschafften §175 gesehen werden kann, wenn er unter dem Vorwand des Schutzes von Kindern vor sexueller Gewalt dazu missbraucht wird, junge Menschen vor homosexuellen „Einflüssen“ zu „schützen“. Denn das weiterhin bestehende gesellschaftliche Vorurteil lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass vorwiegend homosexuelle Menschen bzw. Beziehungen der Strafverfolgung ausgesetzt werden. So wurden etwa in Österreich, wo es einen analogen Ersatzparagraphen für den Schwulenparagraphen § 208 gibt, amtlichen Statistiken zufolge fast ausschließlich homosexuelle Menschen danach verfolgt. Das dürfte kaum daran liegen, dass, wenn schon mit dem verfassungsrechtlich nicht haltbaren Konstrukt der ungestörten sexuellen Entwicklung ein Missbrauch konstruiert wird, dieser in heterosexuell organisierten Familienstrukturen nicht stattfindet.

Im Übrigen werden laut bundesweiter Polizeilicher Kriminalstatistik etwa 80 % der „Missbrauchs“-Anzeigen wegen ungerechtfertigten Vorwurfs fallen gelassen. Dass dies von den Medien jedoch zumeist verschwiegen wird, nährt eine politisch durchaus willkommene Massenhysterisierung, die antidemokratische Politik verschleiern und legitimieren soll.

Eine tatsächliche Zuspitzung des Missbrauchs junger Menschen sehen wir in diesem Sinne darin, dass die Bundesregierung nunmehr unter dem Vorwand der Bekämpfung von Kinderpornographie eine intensive Überwachung und Zensur des Internets sowie weitere Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit ins Rollen bringt, nachdem der letzte Versuch vom Bundesverfassungsgericht vorerst verhindert wurde.

Aus diesen Gründen werden wir unsere Forderungen zum diesjährigen CSD zwar erneut bestärken und ausweiten, diese aber nicht mehr an die politisch Mächtigen richten, sondern an Euch, die Ihr mit uns demonstrieren werdet.

Also werdet kreativ in Euren Aktionen gegen die Zustände des bürgerlichen, heterosexistischen Normalbetriebs!

• Gleichberechtigung aller Lebens- und Familienformen anstelle von Sondergesetzen für Minderheiten

Auch wenn es noch immer Menschen gibt, die einen Ehevertrag schließen, selbst unter den Umständen der Sondergesetzgebung Lebenspartnerschaftsgesetz, hat die privilegierte Stellung der Ehe nichts im Grundgesetz zu suchen. Vielmehr sollte es garantiert sein, normative Verbindlichkeiten mit Personen eingehen zu können, mit denen du das möchtest. Also auch mit mehreren, und zwar unabhängig davon, in welcher Beziehung ihr zueinander steht. Im Prinzip sollen also Privilegien der Ehe abgeschafft werden, indem sie allen Menschen zugänglich werden.

Ebenso hat der Begriff der Familie aus dem Grundgesetz zu verschwinden, da dieser im allgemeinen Sprachgebrauch noch immer einer bürgerlich-konservativen Vorstellung entspricht. Andere Möglichkeiten, wo zum Beispiel fünf Menschen mit drei Kindern in Beziehung leben, sind eben auch relevant.

• Anerkennung im Nationalsozialismus aufgrund ihrer Homosexualität verfolgter, gequälter und ermordeter Menschen als Opfer des Nationalsozialismus sowie deren Rehabilitierung und Entschädigung

Im Nationalsozialismus wurde Homosexualität systematisch stigmatisiert, die damalige Sexualforschung verboten, zerstört und negiert, Tausende in Zuchthäusern und Konzentrationslagern gequält, gefoltert und ermordet.

Unter den Häftlingen in Konzentrationslagern standen Homosexuelle, mit einem „Rosa Winkel“ gebranntmarkt, auf der untersten Stufe der „Hackordnung“ und wurden selbst von Mithäftlingen gequält. Sie wurden für die härtesten Strafarbeiten herangezogen und den härtesten Folterungen ausgesetzt.

Durch die nach dem Ende des Nationalsozialismus fortgeführte Kriminalisierung von Homosexuellen wurde ihnen die nationalsozialistische Verfolgung auch nach 1945 weiter zugemutet, anstatt sie wie andere Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen, zu rehabilitieren und zu entschädigen. Bis heute sind wegen ihrer Homosexualität im Nationalsozialismus verfolgte, gequälte, gefolterte und ermordete Menschen als einzige Opfergruppe immer noch nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt worden, noch sind sie rehabilitiert oder ansatzweise entschädigt worden.

Wir fordern, dass die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus, sofern sie selbst keine TäterInnen waren (!), nicht länger totgeschwiegen werden, sondern als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, rehabilitiert und entschädigt werden und dass ihr Leiden in würdiger und mahnender öffentlicher Erinnerung bleibt.

• Rehabilitierung und Entschädigung aller in der BRD und in der DDR aufgrund ihrer Homosexualität verurteilter Menschen

Im Nationalsozialismus wurde das Straf(un)recht gegen Homosexuelle 1935 verschärft, und die Nachkriegs- BRD behielt dieses im Nationalsozialismus verschärfte Unrecht gegen Homosexuelle noch 24 Jahre in ungeminderter Form bei. Erst 1969 und in einer zweiten Welle 1973 wurde es abgemindert und erst 1994 im Zuge der Rechtsangleichung nach dem deutschen Einigungsvertrag aufgehoben.

Die DDR kehrte 1950 zur alten Fassung (vor 1935) zurück. Ab Ende der 1950er Jahre wurde Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr geahndet. 1968 erhielt die DDR ein eigenes Strafgesetzbuch, das in § 151 StGB-DDR homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe stellte. 1988 wurde dieser Paragraph ersatzlos gestrichen.

Menschen, die in beiden deutschen Nachkriegsstaaten wegen ihrer homosexuellen Orientierung verurteilt worden sind, deren Lebensexistenz mit der unrechten Verurteilung zerstört worden ist, müssen rehabilitiert und entschädigt werden. Es dürfen bei Behörden keine „Rosa Listen“ geführt werden, aus denen das Merkmal der sexuellen Orientierung ermittelbar ist. Die Behörden haben sicher zu stellen, dass dieses Merkmal nicht mehr erfasst wird und noch vorhandene derartige Daten umgehend gelöscht werden.

• Aufklärung der Bevölkerung über Homosexualität und Homosexuellen-Verfolgung

Homosexualität scheint mittlerweile kein Tabuthema mehr zu sein. Begleitet durch eine breitere mediale Zurschaustellung prominenter Homosexueller schlägt uns eine Welle der Toleranz entgegen. Doch greifen auch hier gängige Klischees vom erfolgreichen, braven, gutbürgerlichen und so geduldeten Homosexuellen. Schlechte Homosexuelle sind hingegen diejenigen, welche eben nicht der idealisierten heterosexuellen Mononorm von Ehe und Familie folgen.

Damit reiht sich die aktuelle Betrachtung in eine bereits seit Jahrhunderten betonierte, abendländisch geprägte Moralvorstellung ein, die jegliche Abweichungen von der Norm stigmatisiert, diskriminiert und zielgerichtet verfolgt.

Wir verlangen deshalb, dass Projekte gefördert werden, die über die Verfolgung von Homosexuellen in der deutschen Geschichte aufklären. Darüber hinaus fordern wir die Förderung kultureller und künstlerischer Projekte, die sich mit den Variationen sexuellen Lebens auseinandersetzen. Dabei sind diese Projekte allen Menschen unabhängig von deren sexueller Orientierung und Identität gleichberechtigt und kostenlos zugänglich zu machen.

• Vorurteilsfreie pädagogische Konzepte, die nicht auf Heteronormativität basieren, sondern die Vielfalt der Lebensweisen und sexuellen Orientierungen in den Bildungskatalog integrieren

Durch Texte und Bilder in Schulbüchern lernen Kinder und Jugendliche nicht nur zu lesen, zu schreiben oder eine Matheaufgabe zu lösen. Ihnen wird immer auch ein Bild des gesellschaftlich akzeptierten bzw. gewünschten Rahmens übermittelt. Wenn in einem Englisch-Lernheft die Mutter den Tisch deckt und das Mädchen ihr hilft, während der Vater von der Arbeit kommt, oder wenn in einem Matheübungsheft ein Junge ein Mädchen für 8,- € ins Kino einlädt, was dann von seinem Taschengeld abgezogen werden soll, so bringt das eben nicht nur die Fähigkeit hervor, auf englisch zu lesen oder Rechenaufgaben zu lösen. Gleichzeitig wird mit jedem Text und jedem Bild gezeigt, wie sich die Menschen wünschenswerter Weise zueinander in Beziehung setzen. Und die vielen tausend Bilder, die nicht gezeigt werden, hinterlassen eine Lücke in den Vorstellungen der Heranwachsenden, wie sie ihr Leben und ihre Beziehungen gestalten könnten.

Es gibt keine Matheaufgabe, in der ein Mädchen ein Mädchen ins Kino einlädt und keinen Lesetext, in dem drei Männer zusammen mit ihren zwei Kindern den Abendbrotstisch decken.

Heterosexualität und Kleinfamilie sind die einzigen Vorbilder, die in thüringischem Lehrmaterial vorhanden sind. Es werden hierbei nicht nur homo-, bi- und andere sexuelle Orientierungen unsichtbar gemacht, sondern auch alle Lebens- und Beziehungsformen, die nicht der mononormativen Paarbeziehung mit Kinderwunsch entsprechen.

Um ein angst- und diskriminierungsfreies Leben außerhalb dieser momentanen Norm denk- und lebbar zu machen, ist es notwendig, zu zeigen, dass es diese gibt und dass sie – neben den bisherigen – als Vorbild- und Identifikationsfiguren zur Verfügung stehen. Wir fordern deshalb, dass im thüringischen Lehrmaterial vielfältige Lebens- und Familienformen einen Platz finden und nicht – wie bisher – totgeschwiegen werden.

• Vermittlung eines sozialen und pädagogischen Klimas an Bildungseinrichtungen, in dem LehrerInnen und SchülerInnen offen zu ihrer sexuellen Orientierung stehen können

Viele lesbische Lehrerinnen und schwule Lehrer wollen nicht, dass ihren KollegInnen, den SchülerInnen und deren Eltern bekannt wird, dass sie homosexuell sind, weil sie fürchten, dann von diesen gemieden oder in ihrer Arbeit boykottiert zu werden. VertrauenslehrerInnen sind oft ohnmächtig, SchülerInnen bei Coming-Out-Problemen oder homophober psychischer oder körperlicher Gewalt von MitschülerInnen zu helfen. Wir fordern, dass der Freistaat LehrerInnen dazu ausbildet, allen SchülerInnen situationsgerecht helfen zu können, einen umfassenden Diskriminierungsschutz im Schuldienst durch proaktive Weiterbildungsmaßnahmen für die heterosexuellen KollegInnen homosexueller LehrerInnen durchzuführen, um LehrerInnen die Möglichkeit zu geben, auch am Arbeitsplatz frei von Diskriminierung und als Vorbild für alle SchülerInnen selbstbestimmt leben zu können, weil dadurch auch die heterosexuellen SchülerInnen bereits in der Schule Akzeptanz und Respekt gegenüber Minderheiten lernen können.

• Wiederaufnahme und Fortsetzung sachlicher sexualpolitischer Debatten (in Wissenschaft und Gesellschaft) ohne Populismus, die freie sexualwissenschaftliche Forschung ermöglichen und fördern und eine Rückentwicklung zur Tabuisierung von Sexualität verhindern.

Durch das Fehlen sexualpolitischer Debatten und der damit fehlenden notwendigen Auseinandersetzung mit allen Details, Teilfragen und Zusammenhängen entstehen ungeeignete und realitätsfremde Entscheidungen, wie zum Beispiel die an der zu schützenden Jugend vorbeigehende Verschärfung des Jugendschutzes, der die zu Schützenden in die Illegalität drängt, somit eigentlich zu vermeidenden Gefahren aussetzt, was deren Entwicklung erheblich schädigen kann.

In den letzten Jahren wurden fast alle sexualwissenschaftlichen Einrichtungen und Institute geschlossen bzw. die sexualwissenschaftliche Forschung vollständig oder fast vollständig eingestellt. Dadurch fehlt auch in der Gesellschaft jede Grundlage für sachliche und fundierte Debatten und der Gesellschaft nützende Entscheidungen. Wir finden es daher notwendig, sexualwissenschaftliche Forschung wieder zu fördern und neu aufzubauen und sexualpolitische Debatten wieder aufzunehmen und sachlich und fundamentiert zu führen.

• Diskriminierungsfreier Zugang zu den bestehenden medizinischen Möglichkeiten bei Kindeswunsch durch gleichberechtigte Kostenübernahme durch die Krankenkassen

Wenn Kinderwunsch nur noch durch die künstliche Befruchtung möglich ist, so werden die ersten drei Versuche zu 50% von den Krankenkassen getragen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die werdenden Eltern heterosexuell und verheiratet sind. Alleinstehende Frauen und lesbische Paare mit Kinderwunsch werden nicht von den Krankenkassen unterstützt.

Diese einseitige Förderung verstößt nicht nur gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, sondern spricht zudem unehelichen Kindern das Recht auf Leben ab, da deren künstliche Zeugung nicht bezuschusst wird, und verstößt damit auch gegen das Gebot, ihnen die gleichen Entwicklungschancen zu eröffnen wie ehelichen Kindern. Wir fordern daher, dass alleinstehende Frauen, lesbische Paare und Frauen in anderen Beziehungsstrukturen genauso bei Versuchen zur Nachwuchszeugung durch künstliche Befruchtung unterstützt werden.

• Gleichberechtigter Zugang aller Menschen zur Adoption

Adoptieren können in Deutschland laut Gesetz sowohl Ehepaare als auch Alleinerziehende. Allerdings werden in der Adoptions-Praxis heterosexuelle Ehepaare vorgezogen. Alleinstehende kommen für die Adoption nicht in Frage. Die Ehe wird vorausgesetzt, obwohl das gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnen dürfen seit 2004 zwar adoptieren, aber nur, wenn einer der beiden PartnerInnen der leibliche Elternteil ist. Die gemeinsame Adoption ist für LebenspartnerInnen ausgeschlossen.

Die Anzahl von Adoptionen hat sich in den letzten 15 Jahren halbiert. Im Gegensatz dazu bleibt vielen der Kinderwunsch verwehrt, während Kindern der Weg in andere Beziehungsstrukturen verwehrt wird, weil Gesetz und Praxis im Adoptionsrecht sexuelle Minderheiten diskriminieren.

Deshalb fordern wir, dass Menschen, die für Kinder sorgen wollen, weder durch Gesetz noch durch Praxis die Möglichkeit zur Adoption verwehrt wird.