SexualitÀt und Kapitalismus II

Etwas verspÀtet reichen wir einen Text von uns nach, der im letzten hEFt erschienen ist.

Teil 1 dieses Textes ist hier, Teil 3 hier

19 Jahre nachdem Herbert Marcuse in „Triebstruktur und Gesellschaft“ die Geschichte der SexualitĂ€t als Linie einer zunehmenden UnterdrĂŒckung gezeichnet hat, mischt einer die Diskussion mĂ€chtig auf: Michel Foucault, der in „SexualitĂ€t und Wahrheit“ die Mechanismen untersucht, die zum Sex drĂ€ngen, statt ihn zu unterdrĂŒcken – wohlbemerkt zu ganz spezifischem Sex.

Foucault konstatiert zunĂ€chst, dass SexualitĂ€t in den modernen Gesellschaften nicht beschwiegen wird: „Alles in allem sind wir die einzige Zivilisation, in der eigene Aufseher dafĂŒr bezahlt werden, daß sie jedem zuhören, der sich ihnen ĂŒber seinen Sex anvertrauen will: der Wunsch, vom Sex zu sprechen, und der Nutzen, den man sich davon verspricht, haben offenbar ein Ausmaß angenommen, das ĂŒber die Möglichkeiten des Anhörens weit hinausgeht – weshalb bestimmte Leute schon ihre Ohren vermietet haben.“ Mit der Durchsetzung der bĂŒrgerlichen Gesellschaftsform setzt also – gegenteilig zur Behauptung der Repressionshypothese unter anderem von Wilhelm Reich – ein Reden ĂŒber Sex ein: „um den Sex herum zĂŒndet eine diskursive Explosion.“
Foucault zieht dabei zur Analyse die katholische Beichtpraxis heran und stellt fest, dass die BeichtvĂ€ter im 17. Jahrhundert zunehmend ein Interesse an allen Dingen bekommen, die mit Sex zu tun haben. Dabei fĂ€llt auf, dass sich die Strategie der Befragung der SĂŒndiger_innen durchaus Ă€ndert – wĂ€hrend die Fragen vorher direkt auf den Gegenstand der SĂŒnde gerichtet waren, setzt nun eine gewisse Diskretion ein: das Sprechen ĂŒber Details wird als schmutzig empfunden und die Fragen werden unbestimmter. Diese Diskretion gleicht dem Umzingeln eines gefĂ€hrlichen Feindes. Die Festlegung der Bereiche, in denen ĂŒber Sex gesprochen wird, stellt gewissermaßen eine Neuordnung der Diskurse dar – aber diese ist eben keine Ordnung des Schweigens: „Unter dem Deckmantel einer grĂŒndlich gesĂ€uberten Sprache, die sich hĂŒtet, ihn beim Namen zu nennen, wird der Sex von einem Diskurs in Beschlag genommen, der ihm keinen Augenblick Ruhe und Verborgenheit gönnt.“

Mit dem ganzen Gerede wird Sex also nicht unterdrĂŒckt, sondern gepusht. Im Diskurs von Beichte, Humanmedizin und Psychologie entstehen tausend SexualitĂ€ten und Perversionen, sauber kategorisiert und angeordnet. Dabei passieren zwei Sachen gleichzeitig: Die gerade erfundenen Perversen werden zu Kranken erklĂ€rt und in Heime und Anstalten gesteckt. Gleichzeitig wird der produktive, gesunde, saubere Sex gefördert. Dabei sind es zunehmend nicht mehr die Expert_innen, die kontrollieren, was erlaubt ist. Vielmehr ist jede_r gewissermaßen zu ihrem eigenen Beichtvater geworden. In Talkshows, Illustrierten und Peergroups findet die Beichte heute in der Öffentlichkeit statt. „Sag uns, wie Dein Sex ist, damit wir wissen, wer Du bist“ – nie zuvor hat der Sex so eine große Rolle fĂŒr die Selbstdefinition gespielt, war er so aufgeladen mit Bedeutung.

Foucault verwendet die Begriffe „bĂŒrgerliche Gesellschaft“ und „Kapitalismus“ immer mit einer gewissen Skepsis, die gegen die Vertreter der Repressionshypothese gerichtet ist: „Jedenfalls scheint die Hypothese einer UnterdrĂŒckungsmacht, die unsere Gesellschaft aus ökonomischen GrĂŒnden ĂŒber den Sex ausĂŒbt, entschieden zu kurz gegriffen [
].“ [S.75] Dennoch finden sich bei ihm zahlreiche Hinweise darauf, dass SexualitĂ€t und Kapitalismus etwas miteinander zu tun haben.
Schon im Sprechen vom Sex konstatiert Foucault eine Sachlichkeit, die charakteristisch fĂŒr die kapitalistische Herrschaft ist: „[…] man muß vom Sex sprechen wie von einer Sache, die man nicht einfach zu verurteilen oder zu tolerieren, sondern vielmehr zu verwalten und in NĂŒtzlichkeitssysteme einzufĂŒgen hat, einer Sache die man zum grĂ¶ĂŸtmöglichen Nutzen aller regeln und optimal funktionieren lassen muß.“ So wie der Kapitalismus alles zu Sachen macht, die verwaltet und tauschbar sein mĂŒssen, erscheint der Sex als eine Sache, die einem NĂŒtzlichkeitssystem zugefĂŒhrt werden muss. Das Diktat der NĂŒtzlichkeit fĂŒr ein Allgemeininteresse ist charakteristisch fĂŒr eine abstrakte Allgemeinheit, unter die im Kapitalismus alles subsumiert werden muss. Der Sex muss verwaltbar sein und Akteur dieser Verwaltung ist der Staat – allerdings agiert dieser nicht als eine Institution, die einfach Verbote setzt, sondern vielmehr Anreize zur Steigerung der ProduktivitĂ€t schafft und sich damit auf verschiedene Ebenen der Diskurse verlagert: „Er [der Sex] ist Sache der öffentlichen Gewalt, er erfordert Verwaltungsprozeduren, er muß analytischen Diskursen anvertraut werden. Der Sex wird im 18. Jahrhundert zu einer Angelegenheit der ‚Polizei‘. Allerdings im vollen und starken Sinne, den das Wort zu dieser Zeit besaß – nicht UnterdrĂŒckung der Unordnung, sondern verordnete Steigerung der kollektiven und individuellen KrĂ€fte [
]. Polizei des Sexes: das ist nicht das strikte Verbot, sondern die Notwendigkeit, den Sex durch nĂŒtzliche und öffentliche Diskurse zu regeln.“ Diese Form der Herrschaft ist eine, die bis ins Individuellste eindringt – benötigt der Sex eine versachlichte Sprache, die jeder sprechen muss, ist jede_r Einzelne gezwungen, sich selbst als Sache zu begreifen und zu durchdringen. Jede_r wird zu ihrem eigenen Polizisten. Mit diesem Ansatz, der hier mehr hervorgekehrt ist als Foucault dies tut, wĂ€re die foucaultsche Theorie fĂŒr eine Theorie der Verdinglichung gesellschaftlicher VerhĂ€ltnisse im Subjekt fruchtbar zu machen.

Von Seiten der Regierung her gedacht, ist es in der Neuzeit nur praktisch, den Sex steuern zu können. Die heutige BRD leidet z.B. darunter, dass sich der Pöbel vermehrt, wĂ€hrend die Elite immer weniger Kinder bekommt. Um das zu Ă€ndern, gibt es bei der Deutschen Forschungsgesellschaft ein Programm, dass jungen Akademiker_innen bei der FamiliengrĂŒndung hilft. Hier kommt man mit der Repressionshypothese nicht weiter, niemandem wird der Sex verboten. Aber bestimmten Leuten wird der Sex durch Förderprogramme verordnet. Gleichzeigig werden an anderer Stelle Sozialleistungen gekĂŒrzt. Die Strategie ist, dass der Volkskörper an den richtigen Stellen wachsen soll – Foucault nennt das Biopolitik.

Die Reproduktion des Lebens rĂŒckt ins Zentrum der Herrschaft und damit werden zwei Dinge besonders wichtig: Der Sex und der Körper. Der Sex bietet Zugang zum einzelnen Körper genauso wie zum Gattungskörper. Deshalb wird er zum Dreh- und Angelpunkt der Machttechnologie zum Leben. Gerade daran, wie sehr der Staat nun die Verantwortung ĂŒber den eigenen Sex und den eigenen Körper auf die Einzelnen ĂŒbertrĂ€gt (jede_r ist dazu gezwungen, sich selbst dahingehend zu befragen), lĂ€sst sich aufzeigen, wie sehr die kapitalistische Herrschaft in die Individuen hinein wirkt. Jede_r ist dazu gezwungen, dem Leben zu dienen; was bedeutet, sich eigenverantwortlich fĂŒr die kapitalistische Herrschaft zuzurichten. Die Moderne stellt die Akkumulation von Menschen in den Dienst der Kapitalakkumulation.

Was man jetzt fragen mĂŒsste, ist, wie der Unterschied zwischen den Vertreter_innen der Repressionstheorie und Foucault zustande kommt. Eine Möglichkeit wĂ€re, daß es eine Frage des Blickwinkel ist: Die alten waren halt Marxist_innen und haben daher auf’s System geblickt. Sie waren BildungsbĂŒrger_innen durch und durch und haben daher das bĂŒrgerliche Subjekt trotz aller Kritik als Angelpunkt der Befreiung gesehen. Nach dem Ausbleiben der Revoution guckt dann ein ernĂŒchterter Foucault (der aus kleinbĂŒrgerlichen VerhĂ€ltnissen kam) auf all die verrĂŒckten Mechanismen, die machen, daß die Leute mitmachen.
Vielleicht ist aber viel wichtiger, daß die Macht in den 1970er-Jahren sich ganz stark von der in den 1920ern unterscheidet. WĂ€hrend Reich von dem Problem ausgeht, daß die Arbeiterjugend keinen Zugriff auf VerhĂŒtungsmittel hat, lernen die SchĂŒler_innen zu Foucaults Zeiten in der Schule den Umgang mit PrĂ€servativen. Vielleicht reflektiert die Theorie also einfach eine neue Ausgestaltung der Welt, eine Verschiebung des VerhĂ€ltnisses von Repression und produktiver Zurichtung.
Wie dieses VerhÀltnis heute aussieht und vor allem, wo Perspektiven zur VerÀnderung sind, wird der dritte Teil zur Diskussion stellen.

Donnerstag: IntersexualitÀt 
 und Schluss!

Und wieder war die Polyfantasiabar voll bis auf den letzten Platz — ĂŒber 40 Leute haben den Vortrag von Antke Engel zu IntersexualitĂ€t gehört, danach gab es noch eine kurze Diskussion. Dann war leider auch schon Schluss mit der Polyfantasiabar, weil der Raum fĂŒr einen morgen geplanten Videodreh fertig gemacht werden musste.

Da haben wir unser Transpi eingepackt. Schön, daß uns die Offene Arbeit danach noch ein PlĂ€tzchen zur VerfĂŒgung gestellt hat, wo wir uns schon mal gedanklich auf die Party morgen vorbereiten konnten.

Dienstag: Filmabend und Mittwoch: Workshop


Hier sieht’s noch leer aus, zwei Stunden spĂ€ter sind wir an Grenzen gestoßen: Als der Film am Dienstag mit einiger VerspĂ€tung beginnen konnte, war die Polyfantasiabar so voll, daß niemand mehr reingepasst hĂ€tte und wir in der Tat einige Leute an der TĂŒr abweisen mussten. Sorry. Die Diskussionen waren dann nicht immer so einfach.

Der Workshop „SexualitĂ€t und Kapitalismus“ am Mittwoch war zwar voll, aber nicht ĂŒberfĂŒllt — zu diesem Thema wird’s von uns auf jeden Fall noch was zu lesen geben, evtl. machen wir auch einen weiteren Workshop. Vielleicht.

Morgen geht’s theoretisch in die letzte Runde: Antke Engel vom Institut fĂŒr Queer Theory wird ab 20 Uhr zum Thema IntersexualitĂ€t sprechen.

Freitag werden wir dann feiern…. Polyfantasiaball in der Offenen Arbeit mit Monotekktoni, Eve Massacre, Phonatic und fliegvogelflieg.

Montag: Forschungsreise nach Schlampagnia


Montag: Gwendolin Altenhöfer las aus dem Zine „Die Krake. KĂŒnstliche Beziehungen fĂŒr unnatĂŒrliche Frauen“. Anscheinend gibt es ein grooooßes Interesse an schlampigen Beziehungsformen – oder doch eher an der kĂŒhlen Kritik an Ehe und Monogamie? An beidem? Und ging’s eher um einen kurzen Ausflug in exotische Gefilde oder um einen Dia-Abend, bei dem man auch viel Bekanntes gesehen hat? Auf jeden Fall war die Polyfantasiabar mit ĂŒber 40 Leuten gut gefĂŒllt.
Morgen geht es weiter mit einem queeren Filmabend. Wir werden (wie auch Mittwoch und Donnerstag) ab 17 Uhr im Polyfantasiahaus in der Johannesstraße 151 sein und 20 Uhr beginnt der Film.

Sonntag: Polyfantasiabar eingerÀumt

Sonntag:

Wir sitzen in der Polyfantasiabar und weil das Transpi vom letzten Jahr noch ĂŒbrig war,

heißt das Haus auch wieder Polyfantasiahaus. Nette Menschen sind zum Helfen gekommen

und von draußen gucken sich die Leute die Deko an

Hier gibt’s auch polyfantastisches Bier.

Aber unser Internet ist kaputt. Morgen geht unsere queerfeministische Veranstaltungswoche los.

Programm der zweiten Polyfantasiawoche konretisiert sich

Montag, 30.8., 20.00 Uhr, Polyphantasiabar
Forschungsreisen in nichtmonogames GelÀnde
„Wenn Liebe die Antwort ist, können Sie die Frage dann bitte umformulieren?“. Die Mitherausgeberin Gwendolin Altenhöger liest aus dem feministischen Zine „Die Krake. KĂŒnstliche Beziehungen fĂŒr unnatĂŒrliche Frauen“. Die frisch erschienene Ausgabe Nr.5 widmet sich dem Durchlavieren zwischen schlampigen Begierden und monogamen SehnsĂŒchten. Mit Diskussion.

Dienstag, 31.8., 20.00 Uhr, Polyphantasiabar
Queerer Filmabend

Mittwoch, 1.9., 18.00 Uhr, Polyphantasiabar
Workshop SexualitÀt und Kapitalismus
FĂŒr den Zusammenhang von SexualitĂ€t und Kapitalismus gibt es zwei sich widersprechende Deutungen: Die Repressionshypothese behauptet, Sex wĂŒrde unterdrĂŒckt, weil der unkontrollierte Trieb eine Gefahr fĂŒr die Herrschaft sei. Die Antithese meint, SexualitĂ€t sei heutzutage fest in ein Netz der Macht eingebunden und wĂŒrde die Planbarkeit der Bevölkerungsentwicklung im Rahmen der kapitalistischen VerhĂ€ltnisse sicherstellen.
Wir stellen zu Beginn die beiden AnsĂ€tze vor und wollen dann darĂŒber diskutieren, wie denn nun heute das VerhĂ€ltnis von SexualitĂ€t und Kapitalismus ist.

Donnerstag, 2.9., 20 Uhr, Polyphantasiabar
IntersexualitÀt
Im Zentrum des Vortrages steht die Infragestellung der biologistischen Norm der Zweigeschlechtlichkeit. FĂŒr besonders kritisierenswert halten wir dabei die gewaltsame medizinische Herstellung von Geschlechtseindeutigkeit bei SĂ€uglingen. Es soll aber auch auf die Frage eingegangen werden, warum in unserer Gesellschaft die Geschlechternormen eine solche Wichtigkeit besitzen und warum alle Abweichungen gewaltsam ausgegrenzt oder auf die Norm „mĂ€nnlich“/“weiblich“ zugerichtet werden.

Freitag, 3.9.
Polyfantasiaball
Monotekktoni – epxerimental electronica, Berlin
http://www.myspace.com/monotekktoni

Eve Massacre – Noisy mash ups, NĂŒrnberg
http://www.myspace.com/evemassacrespace

Die Polyphantasiabar befindet sich in der Johannesstraße 151

Phonatic – get equalized, Jena,
http://www.myspace.com/djphonatic

fliegvogelflieg – minimalist techno, Erfurt
http://www.myspace.com/fliegvogelflieg

Polyfantasiawoche II

Oi!

Schon vorweg möchten wir darauf hinweisen, daß dieses Jahr erneut eine Polyfantasiawoche stattfindet, diesmal vom 30.08.2010 – 04.09.2010.
Stattfinden wird das ganze zum guten Teil in der Johannesstraße.

Inhaltlich geht es um:
– SexualitĂ€t und Kapitalismus; Polysexuelle Ökonomie
– IntersexualitĂ€t
– Forschungsreisen in nicht-monogames und unnatĂŒrliches GelĂ€nde

Definitiv zugesagt hat Gwendolin Altenhöfer, die aus der KRAKE lesen wird.
FĂŒr die weiteren Veranstaltungen sind wir schwer am organisieren.
Am letzten Tag wird es wieder einen Polyfantasiaball geben — wenn wir einen geeigneten Raum finden…

Wenn das Programm klarer wird, werden wir das hier kundtun.
Vielleicht lohnt es sich ja, fĂŒr die Woche mal nach Erfurt zu kommen?

Die Woche ist wieder eine Kooperation. Mit im Boot ist im Moment das Bildungskollektiv Biko und das Jugendbildungsnetzwerk der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Aber es werden sicherlich noch mehr Gruppen und Leute mitmachen.

Irre

Als er durch die schwere HolztĂŒr ins Freie trat, blinzelte Alexander Schellenberg und rĂŒckte seine Brille zurecht. Die Sonne blendete ihn, trotzdem sah er deutlich ein Trio, dass nicht eingeladen war mitten in der Hochzeitsgesellschaft: Herr Prantl, sein Mantel viel zu warm fĂŒr die Jahreszeit, Frau Mielke im pastellgelben Blouson, und Enno wie immer im Parka. Als Alexanders Hand nervös ĂŒber seine langen Haare und durch den sauber gestutzten Bart fuhren, fielen ihm seine eigenen Manschettenknöpfe ins Auge. „Jetzt kommst Du unter die Haube“, rief Enno mit einer lauten Kermit-Stimme. Ein paar GĂ€ste blickte neugierig zu dem großen Skinhead und seiner eher unscheinbaren Begleitung. Die Frau in der gelben Jacke kniff die Augen zusammen und blickte starr geradeaus. Alexander ging durch den Kopf, wie er Frau Mielke kennengelernt hatte. An seinem ersten Arbeitstag als Leiter der TagesstĂ€tte fĂŒr Psychiatrieerfahrene hatte sie ihm leise, aber bestimmt von den Stasi-Seilschaften erzĂ€hlt und von ihrem Plan, erst Meiningen zu ĂŒbernehmen und von da aus die DDR wieder aufzubauen. Er hatte sie zuerst ins BĂŒro gebeten und danach gemerkt, daß sie eine Klientin war, denn in ihrer blaugrauen Strickjacke hatte sie wie eine Kollegin gewirkt. Das konnte man von Enno und Herrn Prantl nicht behaupten. WĂ€hrend Enno Alexander zu sich winkte, stand Prantl leicht vornĂŒber gebeugt daneben und murmelte vor sich hin. In seinem Kopf hörte Alexander die sonore Stimme:„Im Osten hab ich die Schachteln mit den Patronen voll gemacht. Zehn Reihen und immer fĂŒnf Patronen. Und dann die Schachtel zumachen. Mit der Wende haben die mich dann nicht mehr gebraucht.“. Alexander drĂ€ngte sich zwischen Herrn Prantl und seine Schwiegermutter in Spe, die ein Gesicht machte, als fĂŒrchtete sie, die Flecken von Prantls Mantel wĂŒrde gleich auf ihr purpurnes Kleid ĂŒberspringen. „Wie schön, daß Sie hier sind. Am Montag werden wir in der TagesstĂ€tte einen kleinen Umtrunk haben“ sagte Alexander deutlich, wĂ€hrend er sich ein klein wenig vorbeugte und den Blickkontakt mit Enno und Frau Mielke suchte. Er hörte nicht darauf, was Frau Mielke zu ihm sagte, schĂŒttelte Herrn Prantl die Hand, murmelte noch einmal, wie schön der ĂŒberraschende Besuch sei und dass er sich jetzt leider verabschieden mĂŒsse.

Wie ein Sack ließ er sich in den Sitz des schwarzen Volvo fallen. Als die AutotĂŒr hinter ihm zuklappte und der Wagen langsam in Richtung Kirche rollte, ging er in Gedanken die drei ungebetenen GĂ€ste durch. Prantl war dement. Mit seiner Tagesdosis von 750mg Seroquel konnte man ihn eigentlich bequem in die Ecke stellen und brabbeln lassen, das war nicht schön, aber wenigstens nicht so auffĂ€llig wie Enno. Seine Akte war eindeutig, „Diagnose: Borderline-Persönlichkeitsstörung; FremdgefĂ€hrdung: keine“. Aber wer kannte schon die Akte. Die GĂ€ste sahen einen 1,90 großen Skinhead, der sich ruckartig bewegte und hörten eine Stimme wie eine Trompete. Frau Mielke war sicher die unauffĂ€lligste in dem Trio – so lange sie nicht anfing, ihr GegenĂŒber in ihre schizoiden Wahnvorstellungen einzubauen. Alexander wurde bleich bei der Erinnerung an einen geselligen Abend bei seinen zukĂŒnftigen Schwiegereltern. Der Schwiegervater hatte gesagt: „Wenn Du mit den VerrĂŒckten klarkommst, bĂ€ndigst Du auch unsere Tochter“ und Alexander hatte betont, dass seine Klienten nicht verrĂŒckt, sondern psychisch beeintrĂ€chtigt waren und weiter ausgefĂŒhrt, dass Frau Mielke immerhin seit 35 Jahren im selben Neubaublock wie seine Anverwandten wohne. „Die war schon immer sonderlich“ hatte die Schwiegermutter gemeint, woraufhin er mit Blick auf ihr geschientes Bein geantwortet hatte, dass Persönlichkeitsstörungen auch nicht sonderlicher seien als BeinbrĂŒche. Daraufhin hatten sie ihn wiederum angesehen, als sei er verrĂŒckt. Man hatte das Thema nicht vertieft und war etwas ernĂŒchtert auseinander gegangen an diesem Abend. “Wenigstens muss man mit einem Beinbruch zuhause bleiben“ ging es ihm durch den Kopf, als der schwarze Volvo vor der Kirche langsam zum Stehen kam.

„Ein GlĂŒck“ dachte Alexander. Keiner der Klienten war vor der Kirche zu sehen. Die Hochzeitsgesellschaft hatte den Weg durch die FussgĂ€ngerzone genommen und stand feierlich gewandet auf den breiten Treppenstufen. Alexander atmete tief durch, blickte in die Runde und lĂ€chelte. „Wirklich nett, daß sie mir gratulieren wollten“ ging ihm durch den Kopf, wĂ€hrend er innerlich darĂŒber lachte, welche Ängste er ausgestanden hatte. Herr Prantl, der sich auf der Suche nach einem kleinen Imbiss an den Hostien verging. Frau Mielke, die allen Anwesenden ernst erklĂ€rte, daß die Trauung ungĂŒltig sei, da der Pfarrer auf der Gehaltsliste der Stasi stĂŒnde. Enno, der mitten in der Zeremonie von hinten rief „Ist der Ring auch echt?“. „Absurd“ dachte er jetzt, „sie wollten mir einfach nur gratulieren.“ Die Hochzeit wĂŒrde ganz normal ĂŒber die BĂŒhne gehen und er wĂŒrde gleich beweisen, dass er trotz seiner langen Haare und trotz des sonderlichen Jobs dazu gehörte. „Wenn hier einer normal ist, dann ich“ sagte er sich, wie immer, wenn er sich etwas aus dem Gleichgewicht gebracht fĂŒhlte.

Die schwere KirchtentĂŒr ging auf. Ganz vorne, in der ersten Reihe links saß das Trio. Ihm wurde glĂŒhend heiß. Er wusste, daß die Braut links vor dem Altar stehen wĂŒrde und er selbst rechts – mit direktem Blick auf die drei. Die alte Kirchenbank knackte, als Ennos sich ruckartig umwandte und breit in seine Richtung grinste. Der Hochzeitsmarsch setzte ein. Frau Mielke und Herr Prantl saßen nebeneinander, ihre Köpfe zusammengesteckt. Alexander glaubte ihr tuscheln zu hören, wie ein Kurzschluss in der Elektroinstallation. Die Orgelmusik hallte in dem alten Bau, sie kam von hinten und mit einer kurzen Verzögerung wieder von vorne, daß ihm ganz schwindelig wurde. „Wir sind heute hier zusammengekommen“. Herr Prantl und Frau Mielke blickten jetzt in seine Richtung. Sahen die anderen GĂ€ste auch zu seinen Klienten? „Um diese jungen Leute im heiligen Bund der Ehe zu vereinen“. Frau Mielkes Augen verengten sich zu Schlitzen und Alexander hielt die Luft an. „Sollte einer der Anwesenden einen Einwand gegen die Verbindung vorzubringen haben“. Herr Prantl wandte langsam seinen Kopf und sah erwartungsvoll Enno an. Alexanders HĂ€nde begannen zu zittern. „So möge er ihn jetzt vorbringen oder fĂŒr immer schweigen“. Enno rĂŒckte seine massigen Gliedmaßen zurecht, setzte sich gerade hin. Sein Kopf ruckte in die Höhe. Sein Kehlkopf tanzte auf und ab. Die Nachmittagssonne spiegelte sich auf der polierten Glatze und er schien sich zu rĂ€uspern, als Alexander losschrie: „Halt doch einfach die Klappe“. Erst als er das Echo seines eigenen Schreies hörte, war Alexander klar, was er getan hatte. Das Echo verhallte, die Kirche war still wie ein Grab. Enno, Frau Mielke und Herr Prantl sahen ihn mit offenen MĂŒndern an. Alexander konnte den Bick nicht ertragen. „Raus hier, nur raus“ dachte er. Bevor die schwere TĂŒr hinter ihm zufiel, hörte er aus der Kirche eine Stimme wie Kermit der Frosch: „Ist ja irre.“

Diese leicht widernatĂŒrliche Geschichte ist im Rahmen eines Schreibworkshops des Kulturrausch beim Textil-Festival entstanden. Sie ist gar nicht von wi(e)derdienatur!

Himmelfahrt

MĂ€nner pinkeln im StehenStĂ€ndig stinkt es nach Bier und Pisse. Ich weiß nicht, ob es am Alkohol liegt, oder daran, dass man am Vatertag den Pimmel zeigen muss, um zu beweisen, dass man zumindest potentiell ein Vater ist. Auf jeden Fall zeigen mir schon vor Mittag drei Pisser ihre Penisse, einen davon mitten auf der FußgĂ€ngerbrĂŒcke am Erfurter Hauptbahnhof. War wohl eine schlechte Idee, an Himmelfahrt das Haus zu verlassen. Das hab ich mir schon am Anfang meiner Radtour gedacht. Am Ringelberg prĂŒgeln sich zwei sportlich gekleidete 20jĂ€hrige umringt von Gleichgesinnten. Einer trĂ€gt einen schwarz-rot-goldenen Hut in Form eines Bierkruges. Auf der Straße zwischen Vieselbach und Asmansdorf randalieren gutbĂŒrgerliche Mitt-30er. Sie werfen einen Baustellenzaun um und demolieren Straßenschilder. In Weimar sind meterbreit Blutspritzer auf dem BĂŒrgersteig verteilt, daneben eine Lache von Bier und ein paar Scherben. Am Morgen waren hier zwei MĂ€nnerhorden aufeinandergetroffen. Bei der RĂŒckfahrt nach Erfurt habe ich GlĂŒck, keine Kotze im Abteil. Nur im Erfurter Bahnhof rutsche ich auf einer Pfeffi-Lache aus. Auf dem Anger lassen sich besoffene SpießbĂŒrger neben einer brennenden MĂŒlltonne fotografieren. Was fĂŒr ein Spaß.

Was ist da los? Wie kommt es, dass an einem christlichen Feiertag die MĂ€nner durch alle Schichten und Alterskohorten hindurch austicken? Wie kann es sein, dass spießige SaubermĂ€nner auf die Gehsteige pissen und begeisterte Autofahrer ihre eigenen Straßen demolieren? Noch verrĂŒckter: Wie kommt es, dass – wie 2009 in Erfurt gesehen – Hooligans, die jeden grĂŒn und blau schlagen wĂŒrden, der ihnen homophile Neigungen unterstellt, sich gegenseitig auf dem Fischmarkt an die SchwĂ€nze fassen?

Ich glaube, das ist „das bĂŒrgerliche Subjekt und sein Anderes“. So heißt eine Veranstaltung in Weimar am 17.5., dem internationalen Tag gegen Homphobie. Ich picke mir mal raus, was von diesem Theorie-Gedöhns auf die pissenden SaubermĂ€nner passt:

Mit der AufklĂ€rung entsteht ein neues Menschenbild. Es heißt zwar Menschenbild, ist aber eigentlich ein MĂ€nnerbild: Das bĂŒrgerliche Subjekt. Es ist fĂ€hig zur rationalen Erkenntnis. Es ist immer aktiv und stark. Und es will herrschen. Damit was zum beherrschen da ist, schenkt die AufklĂ€rung der Frau die zweifelhafte Ehre, als GegenstĂŒck des Mannes zu dienen. Passiv, schwach, emotional, empfangend und unterworfen – eben das Andere des bĂŒrgerlichen Subjekts. Der Hass auf Schwule und Lesben kommt nicht zuletzt daher, dass sie diese Ordnung stören. Aber darum soll es jetzt nicht gehen. ZurĂŒck zum Subjekt und seinem Anderen, dem Unterworfenen. Das Subjekt beherrscht nicht nur die anderen Menschen. Wenn wir mal davon ausgehen, dass himmelblaue Babies genau so weinen wie rosarote, muss auch jede Menge Selbst-Beherrschung stattfinden, eh aus dem blauen Baby ein blauer Erwachsener wird. Das Subjekt muss sich selbst beherrschen. Es muss die ganze SchwĂ€che, Ratlosigkeit und IrrationalitĂ€t in sich unter Kontrolle zu bringen. Der Riss geht also mitten durch die Person. Der ganze Mann ist also nicht nur eine Zumutung fĂŒr seine Umwelt, er muss sich auch selbst stĂ€ndig trietzen. Insofern: Ja, auch MĂ€nner leiden unter ihrer Geschlechterrolle.

Bevor jemand aber FĂŒrbitten fĂŒr die „armen kleinen MĂ€nner“ anstimmt, will ich auf den MĂ€nnertag zurĂŒckkommen. Himmelfahrt erlaubt den MĂ€nnern in einer kontrollierten und reglementierten Umgebung das Ausleben von SpontaneitĂ€t. An Himmelfahrt dĂŒrfen sich die verklemmtesten Heteros zusammen im Schlamm wĂ€lzen und sich gegenseitig an die SchwĂ€nze fassen. An Himmelfahrt dĂŒrfen die SaubermĂ€nner, die sich sonst Tag fĂŒr Tag ihrem Ordnungswahn hingeben, auf der Straße randalieren. An Himmelfahrt darf Mann das nicht verarbeitete Trauma der kindlichen Sauberkeitserziehung nach Außen kehren, indem man vor dem Hauptbahnof auf die Straße uriniert und das mit der Handy-Kamera fĂŒr die Nachwelt festhĂ€lt. An Himmelfahrt ist die Stadtordnung außer Kraft – nicht saufende MĂ€nnerhorden, sondern alle anderen werden der Innenstadt verwiesen.

Ein Bruch mit der selbstbeherrschenden Subjekform ist das nicht. Denn auch die Entscheidung, dass es zum Ausnahmezustand kommt, ist Herrschaft. Und dass der Macker ein StĂŒck die Selbstbeherrschung abgibt, heißt in der Praxis dann oft genug, dass die Anderen was abbekommen: Die Fallzahlen fĂŒr Körperverletzung liegen am MĂ€nnertag ca. drei mal so hoch wie im Durchschnitt. Wieviel es kostet, hinter den pissenden, kotzenden und randalierenden Spießerhorden wieder aufzurĂ€umen, wird nicht erhoben. Wenigstens hat in diesen Jahr der Regen die Pisse recht schnell weggeschwemmt. Das MĂ€nnerproblem bleibt bestehen.

Ein Beitrag fĂŒr die Sendung Chilligays bei Radio FREI.

SexualitÀt und Kapitalismus I

Seit gestern veröffentlicht im neuen hEFt. Der zweite und dritte Teil der Auseinandersetzung ist hier und hier.

Widerdienatur macht Theorie. Wir wollen den Zusammenhang von SexualitĂ€t und Kapitalismus verstehen. Mit Liebe- und Beziehungskritik haben wir uns schon jahrelang auseinandergesetzt. Aber Sex hat nicht nur im wahren Leben, sondern auch in der Theorie nicht notwendig mit Liebe zu tun. Deswegen sind unsere AusfĂŒhrungen zu Sex und Kapitalismus eher fragmentarisch und dokumentieren unseren derzeitigen Diskussionsstand. Die vielen Fußnoten zeigen Grenzen und WidersprĂŒche auf und sollten daher auch gelesen werden.

UnterdrĂŒckt der Kapitalismus die SexualitĂ€t?

Der erste Versuch, Sex und Kapitalismus politisch zusammen zu denken, ist die Bewegung fĂŒr Sexualökonomie und Politik (Sexpol) in den 1930er-Jahren1. Mit Schulungen, Veranstaltungen und in Beratungsstellen werden vor allem junge Arbeiter_innen ĂŒber SexualitĂ€t aufgeklĂ€rt. Die Zeiten sind andere als heute, VerhĂŒtungsmittel sind schwer zu bekommen und ein eigenes Zimmer, geschweige denn eine eigene Wohnung ist Luxus und fĂŒr die Arbeiterjugend nicht bezahlbar. Daher argumentierte die Sexpol, daß der Kapitalismus einer ErfĂŒllung der sexuellen BedĂŒrfnisse entgegen stĂŒnde2. Das begrĂŒndete einen sexualitĂ€tspolitischen Antikapitalismus auf der praktischen und die Repressionshypothese auf der anderen Seite.

„Der Kapitalismus unterdrĂŒckt die SexualitĂ€t“ behauptet Wilhelm Reich, Vordenker der Sexpol-Bewegung. Er argumentierte weiter, nicht genutzte sexuelle Energie wĂŒrde sich im Menschen anstauen und Lust an der Unterwerfung produzieren. Gleichzeitig geht er davon aus, daß SexualitĂ€t ein Potential zur gesellschaftlichen Befreiung in sich birgt – wenn nur die sexuelle Energie freigesetzt wĂŒrde. Um das zu befördern, baut Reich einen Orgon-Akkumulator – ein metallverkleideter Holzkasten, der sexuelle Orgon-Energie konzentrieren soll3, um den „Triebstau“ zu ĂŒberschwemmen und damit die Repression – im Inneren wie in der Welt – hinwegzuspĂŒlen.

1933 wird Reich aus der KPD und aus der Internationalen Psychoanalytischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Ob das an der kleinbĂŒrgerlichen Sexualmoral der Kommunisten lag oder an einer begrĂŒndeten Kritik an Reichs Vorstellungen ist von heute aus schwer zu sagen.

SpĂ€tere Reichianer_innen verkaufen möglichst wahlloses Rumficken als SchlĂŒssel zur Befreiung. Vor allem in der 1968-er Bewegung wird der Kurzschluss „Ficken macht revolutionĂ€r“ zum Credo von Psycho- und Polit-Sekten wie der Aktionsanalytischen Organisation (OOA), die am Ende wegen massenhafter sexueller Übergriffe gegenĂŒber MinderjĂ€hrigen aufgelöst wurde.

Repressionshypothese, die zweite

Auf eine weniger mechanistische und ĂŒberhaupt nicht aktivistische Variante macht die Kritische Theorie die UnterdrĂŒckung von SexualitĂ€t im Kapitalismus zum Thema4. In Anschluss an Freud5 sahen Leute wie Herbert Marcuse die Entwicklung der Menschheit analog zur Entwicklung des einzelnen Individuums als Prozess der der fortschreitenden UnterdrĂŒckung der Natur an6:

Furchtbares hat die Menschheit sich antun mĂŒssen, bis das Selbst, der identische zweckgerichtete Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt7

Im Sinne der Kritischen Theorie ist SubjektivitĂ€t also schon immer eine Bearbeitung einer vorab gegebenen inneren Natur. Ein gewisses RealitĂ€tsprinzip, das den unmittelbaren Lustgewinn zugunsten einer langfristigeren Perspektive zurĂŒckstellt, sehen sie als notwendig fĂŒr die Entwicklung der Menschheit an. In der bisherigen Geschichte hatte das immer etwas repressives8. Marcuse nennt in „Triebstruktur9 und Gesellschaft“ die aktuelle Form des RealitĂ€tsprinzips „Leistungsprinzip“. Dem Leistungsprinzip entspricht eine spezifische SexualitĂ€t10: Damit rational gearbeitet werden kann, darf es nur bestimmte Körperteile geben, denen gewissermaßen sexuelle Handlungen zugestanden sind. Nur so können die Menschen in der Produktion bestehen – wĂŒrden andere Körperteile lustbesetzt sein, wĂ€re die RationalitĂ€t im Arbeitsprozess nicht mehr gewĂ€hrleistet. Zudem ist SexualitĂ€t im Kapitalismus der Logik der Fortpflanzung unterworfen. „Zwecklose“ – nicht genitale und damit unvernĂŒnftige – sexuelle Handlungen wĂŒrden weder das Nachwachsen neuer Arbeiter_innen sicherstellen, noch eine geordnete Gesellschaft garantieren und werden daher als pervers abgewertet.

Marcuses Utopie ist aber nicht mehr wie bei Reich die naive Befreiung der Triebe, sondern eine Gesellschaft mit einem nicht-repressiven RealitĂ€tsprinzip, in der Kulturentwicklung und Lustentfaltung sich nicht mehr widersprechen. In der unglaublichen Entfaltung von ProduktivkrĂ€ften sieht er das Potential, die Lebensnot – den Mangel, der die UnterdrĂŒckung von Trieben notwendig macht – abzuschaffen. Durch eine neue, nicht mehr der Profitmaximierung unterworfene Nutzung von modernen Technologien könnten sich die Menschen in spielerischen und nicht zweckrationalen Handlungen weiterentwickeln und verwirklichen – was dann auch eine nicht-repressive SexualitĂ€t beinhalten wĂŒrde11.

Zwischen SchulmÀdchenreport und BRAVO

Gerade in den 1970er-Jahren wird es immer weniger plausibel, das VerhĂ€ltnis von SexualitĂ€t und Kapitalismus nur als UnterdrĂŒckung zu sehen. Als Beate Uhse 1962 den ersten Sexshop eröffnet, befĂŒrchtet sie noch Übergriffe empörter BĂŒrger_innen. 1965 ist es ein Skandal, daß Reifen mit langen Frauenbeinen beworben werden. 10 Jahre spĂ€ter ist geradezu Norm, was vorher noch verboten war. Mit der „Sexwelle“ wird SexualitĂ€t zum Thema Nr. 1 in den bĂŒrgerlichen Medien. „Bin ich normal, wenn ich mit 16 noch Jungfrau bin?“ fragen Teenager 1972 in der BRAVO, wĂ€hrend KonsumsphĂ€re und Freizeit geradezu mit sexualisierten Darstellungen von jungen Frauen zugepflastert werden.

Der SexualitĂ€t scheint nicht mehr der gefĂ€hrliche Charakter anzuhĂ€ngen, der ihr einstmals angehörte. DafĂŒr wird der Sex verwarenförmigt – er wird genutzt, um Waren zu verkaufen und er wird selbst als Ware gehandelt.

Vielen Apologet_innen der Sexuellen Revolution galt diese Entwicklung als Befreiung. Die Kritische Theorie sieht die Entwicklung als „repressive Entsublimierung“. Entsublimierung bedeutet, daß es mit der sexuellen Befreiung nicht mehr so stark nötig ist, sexuelle BedĂŒrfnisse zu sublimieren – sie auf andere, kulturschaffende, Ziele umzulenken. Das könnte eine Befreiung bedeuten, nur leider manifestiert sich die neue sexuelle Freiheit wieder in repressiven Formen. Sie wird genutzt, um Dinge zu verkaufen und die Leute zufrieden zu halten12.

Neu ist daran, daß auch der nicht auf Fortpflanzung gerichtete Sex produktiv genutzt wird, statt ihn zu unterdrĂŒcken. Unsere These wĂ€re dazu, daß es immer beides gibt: Repression und produktive Nutzung von SexualitĂ€t. Zu fragen ist, wie sich das VerhĂ€ltnis von beiden verĂ€ndert – und das ist keine theoretische, sondern eine empirische Geschichte, die ein andermal erzĂ€hlt werden soll.

Den nĂ€chsten Teil unserer Auseinandersetzung mit SexualitĂ€t und Kapitalismus beginnen wir mit Michel Foucault, der untersucht, wie moderne Regierung „Leben macht“, um es produktiv zu nutzen.

Queer-feministische Gruppe wi(e)derdienatur im MĂ€rz 2010

  1. Das gilt zumindest fĂŒr den deutschsprachigen Raum. Über solche KĂ€mpfe und Theorien in den USA oder anderswo mĂŒsste man mal recherchieren. [zurĂŒck]
  2. Man kann hier kritisch einwenden, daß schon die Vorstellung, daß man ein eigenes Zimmer und VerhĂŒtungsmittel fĂŒr SexualitĂ€t benötigt, eine spezifisch moderne Sache ist, die im bĂ€uerlichen Mittelalter kaum jemand geteilt hĂ€tte. [zurĂŒck]
  3. Im Internet kann man diese KĂ€sten fĂŒr 1300€ erwerben. [zurĂŒck]
  4. Wir machen hier einen Sprung von den 1930ern in die 1960er, was auch daran liegt, daß unser Wissen ĂŒber sexualitĂ€tspolitische Diskurse und Theorien lĂŒckenhaft ist. Über die VerknĂŒpfung von SexualitĂ€t und Politik im NS könnte man schon einiges sagen, das soll hier aber nicht Thema sein. [zurĂŒck]
  5. Bei dem fragen wir uns: Ist sie die Psychoanalyse eher ein ideologischer Apparat, der genitale SexualitĂ€t als Norm festschreibt oder Vehikel der Befreiung, indem sie psychische Prozesse erklĂ€rbar macht? [zurĂŒck]
  6. Kann man ĂŒberhaupt von etwas in den Menschen ausgehen, das nicht bereits gesellschaftlich ist? Landet man dabei automatisch bei Biologie und Anthropologie („Der Mensch ĂŒberhaupt ist ..“)? Oder kann das nichtgesellschaftlich auch etwas individuelles – das Nichtidentische? – sein? [zurĂŒck]
  7. Adorno/Horkheimer in der Dialektik der AufklĂ€rung [zurĂŒck]
  8. Das bezieht sich in der Tat auch auf SexualitĂ€t, insofern ist SexualitĂ€t etwas, daß die Kritische Theorie auch schon in der Antike finden. Das bedeutet aber nicht, daß sie eine historisch gleichbleibende Form und Funktion von Sex unterstellen – sie gehen schon von historisch unterschiedlichen Formen aus. [zurĂŒck]
  9. Was es mit den „Trieben“ auf sich hat, ist umstritten. Wenn die Kritische Theorie von vornherein von einer Beherrschung der Natur ausgehen (also einer Vermischung von Hardware und Gesellschaft), wie kann man dann ĂŒberhaupt die eine Seite – das NatĂŒrliche – bestimmen? Mit anderen Worten: Welchen Sinn macht „Trieb“ und „Natur“, wenn sie nur als der Antagonismus von „Vernunft“ und „Kultur“ gedacht werden können? [zurĂŒck]
  10. Das ist dann das, was bei Foucault „SexualitĂ€t“ heißt. [zurĂŒck]
  11. FĂŒr Marcuse ist die Produktivkraft an sich neutral. Gegen diesen Fortschrittsoptimismus kann man kritisch einwenden, daß die Form der ProduktivkrĂ€fte selbst repressive Strukturen (Expert_innentum, Trennung von Hand- und Kopfarbeit, PĂŒnktlichkeit, „sich dem Takt der Maschine unterwerfen“) bedingt und daher nicht so einfach fĂŒr eine nichtrepressive Gesellschaft genutzt werden kann. Auch das EffektivitĂ€t hĂ€sslich macht – also die hochproduktive Herstellung dem Produkt ihren Stempel aufdrĂŒckt, wie man an jeder GewĂ€chshaustomate merkt – ist fĂŒr ihn kein Thema. Er sieht nicht die Notwendigkeit einer Transformationsstrategie, um zu entscheiden, was wir nach der Revolution mit Autobahnen, Kohle- und Atomkraftwerken und FließbĂ€ndern machen. [zurĂŒck]
  12. Daß die damalige Sexuelle Revolution völlig patriarchal verlief und vor allem Frauen einem Normdruck der sexuellen VerfĂŒgbarkeit ausgesetzt hat, ist den Herren von der Außerparlamentarischen Opposition im Übrigen ebensowenig aufgefallen wie den Professoren der Kritischen Theorie. [zurĂŒck]

Jeder nur ein Kreuz

All your belly are belong to us

Am kommenden Freitag wollen fundamentalistische Christ_Innen in Freiburg einen „Gebets- und Demonstrationszug zum Schutze des Lebens“ durchfĂŒhren. Die „Freiburger Assoziation zur Kritik der Piusbruderschaft“ mobilisiert hier dagegen.

Dazu passt thematisch, daß es auf http://ufo.arranca.de seit gestern den Mitschnitt einer Veranstaltung zum fundamentalistischen Nachrichtenportal „kreuz.net“ gibt. Auf der Seite tobt sich die klerikale Braunzone zwischen konservativem Antimodernismus und Klerikalfaschismus aus.

Ärgernis zeigt dazu ein niedliches Video von gloria.tv ĂŒber die GegenaktivitĂ€ten zu einem solchen Marsch. Man kann nur hoffen, daß die Gegendemonstrant_innen recht haben: „Eure Kinder werden so wie wir“

Was ist Wi(e)der die Natur?

Wi(e)der die Natur?

Die Erfurter Stadtzeitung hEFt wollte kĂŒrzlich wissen, was wi(e)der die Natur ist. Darauf gibt es viele Antworten, die zum Teil in der aktuellen Ausgabe des hEFts stehen — und zum Teil nur hier:

Wi(e)der die Natur ist liwat

Im islamischen Recht ist liwat die SĂŒnde wider die Natur: Das EinfĂŒhren des Penis in den After, wenn es ĂŒber die Eichel hinaus geschieht. Anders als in der Moderne wird die Tat bestraft, nicht aus der Tat ein besonderer – homosexueller – Charakter des TĂ€ters gefolgert. Liwat ist insofern vergleichbar mit Ehebruch und Ă€hnlichen Straftaten.

Wi(e)der die Natur ist queer

Queer steht nicht nur fĂŒr die Bewegung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, SM, Transgender und Intersexuellen, sondern auch fĂŒr die Weigerung, biologische ErklĂ€rungen fĂŒr gesellschaftliche ZusammenhĂ€nge anzuerkennen. Widerdienatur stellt die NatĂŒrlichkeit von HeterosexulitĂ€t genau so in Frage wie die der romantischen Zweierbeziehung, des Kapitalismus und des Mann- bzw. Frauseins. Widerdienatur will das WidernatĂŒrliche stĂ€rken, indem es die Herrschaft der Norm als solche angreift. Eine bipolare Zweiteilung der Geschlechter mit genormtem gegenseitigen Begehren finden wir nicht nur langweilig, sondern auch inhuman. Inhuman deshalb, weil alle, die dieser Norm nicht entsprechen, als abweichend, falsch, krank oder minderwertig betrachtet werden und dies tagtĂ€glich zu spĂŒren bekommen.

Wi(e)der die Natur ist feministisch

Die bĂŒrgerlich-kapitalistische Gesellschaft ist mitnichten frei von Sexismus. Im Gegenteil: Die in der Moderne entstandene strikte Einteilung der Menschen in „starke, sexuell aktive MĂ€nner“ und „schwache, passive Frauen“ fördert strukturell die Hierarchie zwischen MĂ€nnern und Frauen und trĂ€gt die Tendenz zum Übergriff bereits in sich. Wer das im Namen der Queertheory leugnet („Ist ja alles nur konstruiert“), reproduziert das falsche Ganze, statt es zu dekonstruieren. Queer ohne Feminismus zementiert Herrschaft, genau wie liberales „Wir-sind-doch-alle-gleich“-Gelaber. Daher sind wir parteiisch – z.B. im Sinne eines Eintretens fĂŒr die Betroffenen von sexueller Gewalt.

Wi(e)der die Natur ist Party-Kultur

Auch wenn die Fete nicht die VerĂ€nderung gesellschaftlicher VerhĂ€ltnisse ersetzen kann, wollen wir uns nicht von der eigenen Ohnmacht dumm machen lassen und auch stilvoll feiern. Davon zeugt unser Polyfantasiaball. Das erste mal 2008 im Besetzten Haus Erfurt, dieses Jahr leider nur im extra dafĂŒr angemieteten alten Innenministerium – im „Polyfantasiahaus“. Wir feiern unsere Partys am liebsten ohne Rassismus, Sexismus und Homophobie, ohne Nazis und Nazisymbolik, dafĂŒr aber mit etwas Phantasie, guter Musik und kuschligem „Undarkroom“. Am liebsten haben wir die Parties auch so, dass wir auch mit GĂ€sten feiern können, die wenig oder gar kein Geld haben. Dieses Mal war auch ein Raum mit kĂŒnsterischen Filmen zum Thema SexualitĂ€t dabei, der gut besucht war. Am Einlass gab es IdentitĂ€ts-Buttons, so dass sich jede_r eine IdenditĂ€t fĂŒr den Abend aussuchen konnte – von „Tunte“ ĂŒber „Heute Hete“ bis „polymorph pervers“ und selbstverstĂ€ndlich „wider die natur“. Einige fanden vor dem Brunch um 12.00 Uhr vor dem CSD gar keinen Schlaf. Nach der RĂ€umung des Besetzten Hauses gibt es in Erfurt leider keinen festen Platz mehr fĂŒr solche Parties. Wir finden, dass ein Ort fĂŒr widernatĂŒrliche Party-Kultur dringend nötig ist.

Wi(e)der die Natur kritisiert die Liebe

WĂ€hrend der kapitalistische Alltag durch einen stĂ€ndigen Konkurrenzkampf bestimmt ist und (nicht ausschließlich im körperlichen Sinne) den Menschen eine stĂ€ndige Anstrengung abverlangt, scheint die SphĂ€re der Liebe ein letzter Hort zwischenmenschlicher NĂ€he, des MitfĂŒhlens und Teilens zu sein. In der romantischen Zweierbeziehung sollen die Verheehrungen geheilt werden, die Arbeit und Alltag an den Menschen angerichtet haben. An diesen unglaublich hohen Erwartungen scheitern jedoch zahlreiche Beziehungen. Schmerzvolle EnttĂ€uschungen tragen einer unmenschlichen RealitĂ€t Rechnung. Anstatt von der Liebe zu erwarten, sie könnte den kapitalistischen Alltag ertrĂ€glich machen oder ihm gar einen Sinn geben, sollten die Menschen sich solidarisch zusammentun, um die VerhĂ€ltnisse zu Ă€ndern. Die Liebe ist nichts natĂŒrliches, was die Menschen ĂŒberhistorisch miteinander verbindet. Verschiedene Zeiten haben verschiedene Formen der Liebe hervorgebracht – auf die vielfĂ€ltigen und intensiven Möglichkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen in einer befreiten Gesellschaft sind wir sehr gespannt.

Wi(e)der die Natur ist wider die „Natur“

100%iger Apfelsaft muss laut Fruchtsaftverordnung Anlage 1 gleichartige organoleptische und analytische Eigenschaften zu einem gepressten Durschnittsapfel aufweisen. Aber konkrete Äpfel unterscheiden sich stark vom gesetzlich normierten Durchschnittsapfel. Um 100%igen Apfelsaft herzustellen, wird entweder der Saft verschiedener Pressungen vermischt oder aber die Konzentration geĂ€ndert, bis sie der Norm entspricht. Nicht nur bei Lebensmitteln gibt es Normen, die festlegen, was gesund und natĂŒrlich ist. Mediziner haben z.B. festgelegt, welcher Hormonpegel ein weiblicher ist. Frauen, die dem nicht entsprechen, werden medikamentiert, z.B. mit der „Pille“. Sie wird bei weitem nicht nur als EmpfĂ€ngnisverhĂŒterin eingesetzt, sondern gegen eine ganze Schaar von ungewollten „Fehlentwicklungen“, die auf Hormonstörungen zurĂŒckgefĂŒhrt werden. Was als Störung gilt, Ă€ndert sich schnell und stetig: Noch vor zwei Generationen waren Frauen mit OberlippenbĂ€rten nichts Außergewöhnliches. Heute wird schon die Behaarung der Beine medikamentiert. Es ist also grober Unfug, im Saft (auch im zertifizierten Bio-Saft) oder im Geschlecht die pure, unverdĂŒnnte Natur zu sehen: Was als Natur gilt, ist gesellschaftlich gemacht.

Wi(e)der die Natur ist Materialismus

Wer Natur naiv als UrsprĂŒnglichkeit versteht, sitzt einer Konstruktion auf. Sie zu dekonstruieren bedeutet, ihre historische und gesellschaftliche Gewordenheit zu verstehen, statt in idealistischer Eigentlichkeit befangen zu bleiben. Widerdienatur bedeutet, den Wald historisch zu begreifen. Es heißt, antike Siedlungen und ökonomische Vernutzung zu analysieren und die romantische Rede vom „tiefen Walde“ als moderne Konstruktion eines signifikanten Anderen zur Stadt zu begreifen.

Wi(e)der die Natur heißt die Zumutung zurĂŒck zu weisen

Was die Natur jeden Tag von uns will, ist nicht weniger Verblödung als das, was sie mit dem Wald macht: Eine historsch gewordene UnterdrĂŒckungserfahrung, die heterosexuelle MĂ€nner und Frauen mit stabilem BegehrenskĂ€fig erschaffen hat, wird als ErfĂŒllung der innersten WĂŒnsche des Menschen verkauft. Gelungene Subjektivierung bedeutet, unter der Zurichtung nicht mehr zu leiden, den Abdruck der Gesellschaft im Wachs des konkreten Individuums nicht mehr wahrzunehmen, weil beide so perfekt zueinander passen, daß nichts mehr zwickt und drĂŒckt. Auf die Fresse dafĂŒr. Wi(e)derdinatur weist darauf hin, daß die NatĂŒrlichkeit Gesellschaft und Zurichtung ist. Wir kennen andere Formen und reden uns nicht damit raus, daß wir so „sind“. Wir sind nicht. Wir wollen nicht mehr mitmachen und finden, es ist höchste Zeit, nach neuen Formen der Vergesellschaftung zu suchen.

Wi(e)der die Natur ist ein Diskussionsprozess

Die Schritte hin zu einer befreiten Gesellschaft mĂŒssen von stĂ€ndiger Reflexion und Selbstkritik begleitet sein. Mit VortrĂ€gen, Workshops, Filmabenden und Seminaren wollen wir die Themen der GeschlechterverhĂ€ltnisse, SexualitĂ€t und IdentitĂ€t ins Rampenlicht rĂŒcken und unsere AnsĂ€tze zur Diskussion stellen.

Wi(e)der die Natur demonstriert

Am Ende haben die WidernatĂŒrlichen Eminenzen doch ein wenig gefeiert, als der OberbĂŒrgermeister zum ersten mal beim CSD seinen kleinen autonomen RĂŒckzugs- und Schutzraum (Rathaus) verlassen hatte und sich widerwillig von zwei Demonstranten umarmen lassen musste. Soviel körperliche nicht-heterosexuelle NĂ€he schien ihm doch etwas unangenehm gewesen zu sein.

Wi(e)der die Natur will

Nicht schon WIEDER DIE NATUR als BegrĂŒndungszusammenhang fĂŒr gesellschaftliche UnterdrĂŒckungsverhĂ€ltnisse!

Wi(e)der die Natur ist gefÀhrlich

Im Rahmen unserer queer-feministischen Polyfantasiawoche vor dem Erfurter CSD kam es zu mindestens drei PolizeieinsĂ€tzen. Und nicht nur die Polizei, auch die Verwaltung war sehr daran interessiert, was wir denn da so treiben, ob das legal und der Raum von uns gemietet war. Noch interessanter schien zu sein, ob nicht zufĂ€llig Leute im alten Innenministerium ĂŒbernachten. In Ämterstuben wird gemunkelt, dass wir mit der ĂŒberaus gefĂ€hrlichen Besetzer_innenszene zu tun haben. DafĂŒr spricht, dass wir die berĂŒchtigte KĂŒfA (KĂŒche fĂŒr ALLE – ein Projekt des Besetzten Hauses) bei uns zu Gast hatten und dass wir im letzten Jahr unseren Polyphantasiaball im Besetzten Haus gefeiert haben. Wir wollen uns dazu aber nicht so klar Ă€ußern, sondern uns lieber in interessantes Schweigen hĂŒllen.

Veranstaltungsreihe „Wann hört Macht auf? Hier fĂ€ngt Macht an.“ in Jena

Spannende Veranstaltungsreihe in Jena:

02. November 2009:
Volker Woltersdorff „Queere Perspektiven auf Prekarisierung“

10. November 2009:
Heinz-JĂŒrgen Voß „Zweigeschlechtliche Norm und ihr biologisch-medizinisches Fundament“

16. November 2009:
Lars Quadfasel „Wenn PostfaschistInnen zu sehr lieben“

23. November 2009:
Tim StĂŒttgen „post porn politics“

01. Dezember 2009:
Nina Mackert „
as serious as an invasion of the enemy in war time”

07. Dezember 2009:
Martin BĂŒsser & Jonas Engelmann „GeschlechterverhĂ€ltnisse im Punk, Hardcore & Emo“

14. Dezember 2009:
Sarah Diehl „Abortion Democracy“ (Film & Diskussion)

04. Januar 2010:
Oliver Lauenstein „MĂ€nnlichkeit macht mehr als Macht“

11. Januar 2010:
Bini Adamczak & Cornelia Möser „jump and run. communistische postpornoperverse vs. kapitalsexistische ciswertmatrix“

17. Januar 2010:
Karin Michalski „Working on it“ (Film & Workshop)

25. Januar 2010:
Tina Denninger „Auch im Alter noch Sex.“

01. Februar 2010:
Mirjam Mirwald & Danilo Vetter „Die Heide ruft“

08. Februar 2010:
Florian Ruttner & Alex Gruber „Über die Unmöglichkeit poststrukturalistischer Gesellschaftskritik“

Mehr hier.

Schwarzer Kanal bleibt!


News vom queer-Wagenplatz Schwarzer Kanal in Berlin:

Konkreter RĂ€umungstermine auf dem Schwarzen Kanal. Unser Vermieter HochTief hat den Vertrag uns zum 1.Jan 2010 gekĂŒndigt und wir sollen den Platz bis dahin gerĂ€umt haben. Der Grund fĂŒr das alles ist der Baubeginn auf einem NachbargrundstĂŒck. ( Unser GelĂ€nde wird fĂŒr die Baulogisitk benötigt). RĂ€umungsandrohung kommt weiterhin zustande durch Druck der Bundesanstalt fĂŒr Imobilienaufgaben (BIMA) die darauf besteht, dass HochTief sein Bauvorhaben schnellstmöglich beginnt.

Mehr hier

Dritter Filmabend


Die Analyse von „Im Staub der Sterne“ war bedeutend schwieriger als die von Casablanca vor zwei Wochen.

Eine gewisse Faszination fĂŒr die schrĂ€ge 70er-Jahre-Ästhetik in Musik und Ausstattung konnte schnell festgehalten werden. Aber was bedeutet es, wenn auf der einen Seite eine Frau das Kommando auf der RaumfĂ€hre hat, auf der anderen Seite aber durch den ganzen Film Frauen als schmĂŒckendes Beiwerk leichtbekleidet herumtanzen? Geht es hier vor allem darum, daß das DDR-Fernsehballett in den 70ern einfach in jedem Film vorkam? Und was sagt es uns, daß ein schlechter David-Bowie-Imitator auf seiner Heimorgel die Puppen tanzen lĂ€sst? Auf was beziehen sich die Lederkerle vom Sicherheitsdienst?

Da ist auf jeden Fall noch mehr Analyse vonnöten, vielleicht auch mehr Wissen ĂŒber die gesellschaftliche Situation in der DDR 1977, als der Film gedreht wurde.

In zwei Wochen, am 05.10.2009, zeigen wir einen Film, der hoffentlich wieder zugĂ€nglicher in seiner gesellschaftlichen Bedeutung ist: Matrix. Wie immer 20.30 in der Offenen Arbeit Erfurt (Allerheiligenstraße 9, Hinterhaus), wie immer in Kooperation mit der Offenen Arbeit Erfurt, dem DGB-Bildungswerk ThĂŒringen, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Bildungskollektiv Biko.